Schützen-Corps 1824
Das Jahr 1809 brachte die große Wende in der Stadtgeschichte und somit auch bei den Bürgerschützen. Napolen hatte aus Dank für die ihm erwiesene Hilfe dem Königreich Württemberg das Deutschordensgebiet um Mergentheim zugeteilt und am 20. April rückten die Württemberger in die Stadt ein. Die Bürgerliche Schützencompagnie wurde entwaffnet.
Erst als Wilhelm I. 1816 seine Regierungszeit antrat und in der Landesverfassung vom 25. September 1819 den Staatsbürgern das Recht einräumte, sich auch außerhalb des regulären Militärs im Waffendienst zu ertüchtigen, wurde ein neuer Zusammenschluß der Bürgerschützen möglich. Er erfolgte in Mergentheim im Jahre 1820, als der Schützenmeister Revierförster von Arnold alle rechtlichen Bürger zu einem Nummernschießen einlud.
Am 25.09.1820 wurde der Zusammenschluß der Bürger als Schützen-Corps oberamtlich genehmigt, und am 27.09. fand der Stiftungstag mit einem Freischiessen und einem Schützenball zu Ehren seiner Majestät statt. Die neu gegründete Schützengesellschaft hat sich unter ihrem Schützenmeister von Arnold sehr schnell entwickelt. im Oktober 1822 mußte jedoch der Mann der grünen Zunft einem forschem Militär Platz machen, dem Obristlieutnant von Speeth (übrigens dem Schwiegervater Eduard Mörikes). Ihm verdankt das exerzierende Corps seine Existenz. Am 17. Oktober 1822 lesen wir bereits in einem
Protokoll des Stadtrates bezüglich einer Anfrage

des königlichen Oberamts, man möge sich äußern, "wie sichs mit dem angeführten exerzierenden Corps verhält, ob es blos Mitglieder der Schützegesellschaft sind, wieviele dazu teilnehmen und wer sie unterrichtet". Am 18. März 1824 schreibt von Speeth an das königliche Oberamt "...daß in dieser aus 80 bis 90 Mitgliedern bestehenden Schützengesellschaft ein besonderes Corps sich gebildet habe, das nach Regeln des württembergischen Exerzier Reglements bey besonderen Feierlichkeiten ausrücke und paradiere. Dieses ausrückende Corps wünscht das längst gefühlte Bedürfnis sich zu uniformieren nun mehr zu realisieren". Nach der Beschreibung der Uniform und der Nennung der Chargen bittet er darum, daß "das Tragen der angegebenen Uniform und Auszeichnung diesem Corps ausschließlich erlaubt, einem dritten nicht zum Corps gehörigen also nicht gestattet werden solle, die Uniform des Schützen-Corps zu tragen". Am 19. Juni 1824 kam dann die Nachricht, daß "seine königliche Majestät vermöge höchster Entschließung vom 27. Mai der Bitte der Schützengesellschaft zu Mergentheimum Erlaubnis sich uniformieren zu dürfen, willfähig zu entsprechen geruht haben. 1829 erhielt das
Corps aus dem königlichen Arsenal in Ludwigsburg 45 alte französische Gewehre und Patronentaschen ausgeliehen. Dies war mit durch die Fürsprache Seiner Hoheit, Herzog Paul Wilhelm von Württemberg möglich geworden. Herzog Paul, ein Vetter König Willhelms, bewohnte das Mergentheimer Schloß, in dem er auch seine berühmte Naturaliensammlung aufbewahrte, von 1827 bis zu seinem Tod am 25. November 1860. Er wurde zwar als Chef des Schützen-Corps bezeichnet, war aber wohl mehr ein Freund und Gönner desselben.
Die Aufgaben dieses Corps waren zunachst rein repräsentativen Charakters, denn jetzt wurden keine Tor- und Mauerwachen mehr gebraucht.
Als Hauptmann kommandierte der Bad- und Schneidemühlenbesitzer Friedrich Kuhn ab 1831 das Schützen-Corps. Das Corps durfte die Fronleichnamsprozession mit "Musik, Fahne und Pöllern" begleiten, und im Brandfalle mußten seine Mitglieder sowohl beim löschen helfen, als auch für Ruhe und Ordnung sorgen. Im sogenannten Thomm'schen Brief an den Rat der Stadt aus dem Jahre 1833 wird dieses Corps und seine Aufgaben genau beschrieben, mit Namensnennung seiner 66 Mitglieder undgenauer Bezeichnung der Chargen (es hatte u.a. Meldereiter, die die Mergentherimer Metzger zu stellen hatten, sowie 11 Hornisten).
1836 zählte man mit 84 Mann die höchste Mannschaftsstärke: 50 Schützen, 12 Reiter und 12 Hornisten wurden vom Commandanten, dem Oberlieutnant, zwei Oberjägern, fünf Premiers und dem Stabshornisten
geführt. Mit der Hinhaltetaktik der Behörden begann aber die Begeisterung für das Schützen-Corps nachzulassen und die Mitgliederzahlen stagnierten. Das Jahr 1848 brachte mit der Gründung der Bürgerwehr noch einmal Bewegung in den Milizgedanken. Doch die Begeisterung ließ sehr schnell nach. Auch hier können wir wieder Hauptmann Kuhn vom Schützen-Corps als treibende Kraft sehen. Das Schützen-Corps stellte die erste Compagnie und die nicht uniformierten Mitglieder der Bürgerwehr die zweite.
Die Bürgerwache von 1859
Mit der Auflösung der Bürgerwehren 1853 ging in vielen Städten Württembergs die Tradition der Stadtgarden und Wehren zu Ende. In Mergentheim versuchte Hauptmann Kuhn, die Auflösungserscheinungen des Schützen-Corps hinauszuzögern.
In einem Bericht an die Kreisregierung vom 25. Juni 1858 lesen wir: "der Verband des Corps ist demnach ziemlich locker, dermalen das selbe wird nicht durch die Statuten, sondern durch die Persönlichkeit des Hauptmanns Kuhn zusammengehalten." Nun erwog man eine neue Konstituierung des Schützen-Corps nach dem Königlich-Württemberg- ischen-Dekret vom 01. Juni 1853. So wurde das Schützen-Corps unter dem Kommando von Badbesitzer und Stadtrat Friedrich Kuhn zu einer Bürgerwache umstrukturiert. Sie wurde zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im hiesigen Gemeindebezirk verpflichtet sowie zur Brandbekämpfung und Brandbewachung eingesetzt und den Orts- und Bezirkspolizeibehörden unterstellt.
Der Eintritt in die Bürgerwache war freiwillig. Es konnten aber nur solche eintreten, die volljährig auf eigene Rechnung lebten. Ebenso mußten diese zum tragen von Schießwaffen befähigt sein. Die Bürger
wache bildete eine Kompanie bestehend aus zwei Zügen, die je nach Mitgliederzahl eingeteilt wurde. Kommandiert wurde durch einen Hauptmann, einen Ober- und Unterleutnant sowie die nötigen Unteroffiziere nach den Reglements der Königlich Württembergischen Infantrie. Die Kleidung und Bewaffnung entsprach der Erklärung von Hauptmann Kuhn vom 23. September 1859 und mußte von jedem Mitglied auf eigene Kosten beschafft werden
.Am 21. September 1859 rückte die neu uniformierte Bürgerwache anläßlich des in Mergentheim stattfindenden Landwirtschaftlichen Festes das erste Mal aus. Einen großen Schlag erlitt die Bürgerwache 1870, als der geistliche Oberprozeptor Kolb Teile des Kapuzienerklosters samt Garten, in dem die Schützen ihr Heim hatten, aufkaufte. Damit war ihnen der Schießplatz genommen.
Der zweite noch größere Schicksalsschlag war das Ableben von Hauptmann Friedrich Kuhn am 27. Mai 1871 im Alter von 80 Jahren. Jetzt verlor die Bürgerwache jenen Mann, dem sie in den letzten Jahren ihren Zusammenhalt zu verdanken hatte. Mit der Danksagung der Hinterbliebenen von Friedrich Kuhn vom 30. Mai 1871 haben wir auch den letzten gesicherten Auftrittstermin der hiesigen Schützengesellschaft.
Nach mehr als 100 Jahren haben einige engagierte Bürger der Stadt Bad Mergentheim einen Teil der traditionsreichen Schützen- und Bürgerwehrgeschichte wieder lebendig werden lassen. Nach der Gründung am 25. März 1977 im Hotel Viktoria in Bad Mergentheim trat das "Historische Schützen-Corps Bad Mergentheim" am 23. April 1978 erstmals uniformiert an die Öffentlichkeit.